Frankreich, Korsika und Italien

Juni / Juli 2024

Marco Bernardi

Im Juni und Juli 2024 war ich knapp 5 Wochen im Mittelmeerraum unterwegs. Insgesamt 6.500 km home to home, von denen ich lediglich ca. 1.700 km auf Autobahnen unterwegs war.

Am 24.06.2024 startete ich in Neuendorf-Sachsenbande. Die erste Etappe führte mich auf der Autobahn nach Seeheim-Jugenheim zu meinem Freund Uli.

Ab Seeheim-Jugernheim, südlich von Darmstadt, ging die Reise am nächsten Tag auf Land- und Kreisstraßen nach Küssaberg am Rhein.

Auf der Strecke nach Küssaberg zeigte sich, dass sehr viele Straßen in einem schlechten Zustand sind. Wegen mehrerer Sperrungen hatte sich die erste Etappe um fast 100 km verlängert. Was nicht unbedingt von Nachteil war, da die Ausweichstrecken größtenteils sehr viel Spaß machten zu fahren.

Die Übernachtung in Hervés Airbnb hat Spass gemacht. Da auch er Motorradfahrer ist, hatten wir uns einiges zu erzählen.

Küssaberg – Blick von Hervés Airbnb in die Schweiz

Von Küssaberg aus ging es ohne Vigniette, also ohne einen einzigen Kilometer Autobahn, durch die Schweiz. Ziel war Bosco Valtravaglia am Lago Maggiore in Italien. Das nächste Airbnb bei Maria wartete dort auf mich.

Aber was wäre eine Motorradtour ohne Kurven?

Ich hatte mich entschieden, nach fast 40 Jahren wieder einmal über den Gotthardpass zu fahren. Damals im Käfer, heute mit dem Motorrad. Man bleibt dem Boxermotor treu. Es war nicht die schönste Erfahrung auf dieser Reise. Die Straße war voll. Urlauber wohin das Auge blickte.

Dafür war die Route weiter Richtung Lago Maggiore wesentlich entspannter.

Die Planung der Tour bestand im Wesentlichen aus einem Blick auf meine Calimoto-App, um zu sehen, wo besonders viele Kurven sind. Dies ließ mich eine Route festlegen, die mich auf sehr schöne, sehr abgelegene, Straßen führte. Um der Spontanität größtmöglichen Raum zu lassen, buchte ich, wenn es möglich war, erst am Ende einer Tagesetappe über Airbnb eine Unterkunft für die Nacht.

am Lago Maggiore

Auf der schweizer Seite des Lago Maggiore bog die Route bei Vira, einem Ortsteil der Gemeinde Gambarogno über den Passo dell’Alpe di Neggia (1.395m) und die italienische Grenze nach Maccagno ab. 35 km Fahrfreude pur.

Marias Unterkunft in Bosco Valtravaglia war urig. Bosco Valtrvaglia selbst wird wohl in einigen Jahren das selbe Schicksal erleiden, wie viele andere Bergdörfer Italiens vor ihm. Es wird irgendwann aussterben. Schon jetzt ist der Leerstand enorm und Verkaufsschilder hängen an fast jedem zweiten Haus.

Am nächsten Morgen ging die Reise Richtung Mittelmeer weiter.

Da ich mir die Berge im Hinterland von Genua etwas genauer ansehen wollte, blieb ich dort für drei Tage. Meine Schwester und ihr Freund kamen auf Stippvisite vorbei und wir mieteten uns ein kleines Häuschen in Pontinvera. Die Gegend ist schön, besonders zum Motorradfahren. Aber zum Leben wäre das nichts für mich.

Schließlich fuhren wir zusammen nach Genua. Ich setzte mit der Fähre nach Korsika über und Fulvia und Francesco reisten weiter nach Hause. Später auf meiner Tour werden wir uns wiedersehen.

In Genua gab es noch eine kleine Überaschung. Im Hafen lag die „Neptune“, auf der 1986 Roman Polanski den Film „Piraten“ drehte. Nach Polanskis Vorgaben wurde das Schiff innerhalb von 2 Jahren für 8,2 Mio Dollar gebaut.

Kurz nach der Abfahrt in Genua

Die Überfahrt nach Korsika verlief unkompliziert. Abgesehen von fast 2 Stunden Verspätung. Da ich die Nachtfähre gebucht hatte, kam ich am nächsten Morgen frisch und ausgeruht in Bastia an.

Die Insel hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr verändert und ist sich dennoch treu geblieben.

Verschlafene Fischerdörfer wie Porto Vecchio an der Süd-Ost Küste sind zu Touristen Hotspots herangewachsen. Der Col de Bavella war schon immer gut besucht. Dennoch hat sich die Insel abseits der Touri-Hochburgen ihren Charme und ihre Schönheit erhalten. Und wer als Motorradfahrer auf Korsika keinen Spaß hat, dem ist auch nicht mehr zu helfen.

Besonders Korsika war speziell für mich. 1986 hatte ich meine Frau Jutta südlich von Alistro an der Ostküste am Strand kennengelert und wie das mit Urlaubsbekanntschaften so ist, manchmal halten sie ein Leben lang. Ich hatte mir im Corsica Natura einen Bungalow gemietet und suchte all jene Stellen auf, die ich mit Jutta in den Jahren zuvor erkundet hatte. Porto Vecchio, Bonifacio, Col de Bavella, Calvi, Patrimonio, Cap Corse … Die Liste ließe sich beliebig fortführen.

Die Erinnerungswoche auf Korsika tat mir gut und eigentlich wollte ich nach Toulon übersetzen, aber Corsica Ferries legte mir bei der Buchung Steine in den Weg, die ich nicht wegräumen konnte. So entschied ich mich, den weiteren Verlauf der Tour umzudrehen, buchte über Moby Lines eine Überfahrt nach Livorno und setzte meine Reise Richtung Toskana und Fano an der Adriaküste fort.

Wie schon auf der Hinfahrt, hatte die Fähre auch diesmal Verspätung. Und zwar reichlich, so dass ich den Weg von Livorno nach Santa Luce in der Toskana weitestgehend im Dunkeln zurücklegen musste.

Zum Glück hatte mein Gastgeber Paolo Verständnis für meine Situation.

Am nächsten Morgen brach ich rechtzeitig auf, da ich an diesem Tag den italienischen Stiefel queren wollte.

Certaldo – ein defektes Motorrad bei 38° im Schatten

Knapp 400 km sehr kurvenreiche Straßen lagen vor mir. Bei Certaldo, mitten im Nirgendwo der Toskana, legte ich einen Stopp ein, um das typische Toskana-Motiv, also Weingut mit säulenzypressengesäumter Auffahrt, zu fotografieren. Als ich weiterfahren wollte, startete die BMW zwar, ging aber sofort aus, wenn ich den ersten Gang einlegte. Toll.

Die Ursache war klar. Der Schalter am Seitenständer war kaputt. Die Reparatur konnte ich jedoch nicht vor Ort durchführen.

Meine Schwester half mir aus der Patsche. Sie suchte über Google eine Werkstatt in der Nähe und fand eine. Was dann kam, werde ich nicht mehr vergessen. Nach etwa 20 Minuten kam ein Transporter. Alberto, der Fahrer, und ein Freund verstauten die BMW im Laderaum. 15 Minuten später kamen wir bei Peruzzi Moto in Castelfiorentino an. Wer einmal das Glück hat, in der Nähe von Castelforentino liegen zu bleiben, sollte sein Motorrad unbedingt bei Alberto und seinem Bruder Fausto reparieren lassen.

Als Kfz Sachverständiger habe ich schon viele Werkstätten gesehen, aber diese war einzigartig.

Peruzzi Moto – ein Traum von einer Werkstatt

Alles zu beschreiben, was ich dort sehen durfte, würde viel zu lange dauern. Hier nur ein paar Stichworte:

  • original Werkstatt von 1952
  • restaurierte Motorräder, vornehmlich Ducati, auf mehreren Ebenen
  • alte Rennmotorräder, teilweise mit Königswelle
  • top restaurierte BMW ….

Alberto hatte meine BMW innerhalb von 2 Stunden (inkl. Mittagspause) repariert. Für Transport und Reparatur habe ich 50 Euro bezahlt. 20 Euro für die Kaffeekasse gab ich gerne noch dazu.

Die weitere Fahrt durch die Toskana, den nördlichen Zipfel Umbriens und die Marken nach Fano zu meiner Schwester und ihrem Freund war traumhaft schön, kurvig und ohne nennenswerten Verkehr. Lediglich ein unangenehmes pfeifendes und scharbendes Geräusch vom Vorderrad kommend, ließ mich die letzten 50 km bis Fano etwas ruhiger angehen. Ein defektes Radlager kann durchaus schwerwiegende Schäden bis hin zum Sturz nach sich ziehen.

Die Krypta des Doms von Ancona

Am nächsten Tag fuhr ich zusammen mit Francesco zur BMW Niederlassung nach Ancona. Zum Glück waren alle benötigten Ersatzteile vorrätig und nach etwas mehr als einer Stunde war mein Motorrad wieder wie neu. Francesco und ich machten noch einen kleinen Bogen durch Ancona. Dom, Hafen und altrömische Ausgrabungsstätten waren quasi Pflichtprogramm, bevor wir über die Berge zurück nach Fano fuhren.

Da ich deutlich länger in Fano blieb, als ich ursprünglich wollte, hatte ich das Vergnügen dem Fanum Fortunae beizuwohnen. Ein Fest, bei dem die Stadt ihre römische Vergangenheit zelebriert. Hierbei liefen gefühlt 5.000 Komparsen in Tuniken im Kreis und am Ende gab es dann ein Streitwagenrennen.

Wesentlich lustiger war da das jährliche Motorradtreffen der Black Scorpions in San Severino im Hinterland von Ancona. Fulvia und Francesco hatten mich eingeladen. Auf dem Weg nach San Severino gabelten wir noch Salvo, einen Freund der beiden, auf. Mit Ausfahrt, Wein, Bier und Livemusik war es ein gelungener Tag. Wären wir noch länger geblieben, hätte ich wahrscheinlich den Preis für die weiteste Anfahrt bekommen.

San Severino

Das schöne an diesem Bikertreffen ist, dass alle willkommen sind. Harleys stehen neben Honda Enduros, diese neben BMW Tourern usw.

Diverse Bikervereinigungen kommen zu Besuch und alles bleibt friedlich.

Die Zeit in Fano war nach einer Woche vorüber und ich setzte meine Reise Richtung französische Riviera fort.

Da nun die Zeit langsam knapp wurde und ich noch ein paar Tage in Grimaud verbringen wollte, war ich die nächsten etwa 700 km auf der Autobahn unterwegs. In unserem geliebten Var angekommen, verbrachte ich die erste Nacht bei Adine und Alain in Sainte Maxime am Golf von Saint Tropez.

Die beiden kenne ich schon seit Jahren. Wir hatten ihr Haus in unseren Urlauben gemietet, als Alain noch in Menton an der italienischen Grenze arbeitete.

Für die nächsten zwei Nächte hatte ich in Grimaud ein Zimmer gemietet und mich auf eine Erinnerungszeit in unserer Heimat des Herzens gefreut, als das Telefon klingelte. Mein Freund Uli fragte an, ob ich eine Unterkunft wisse, da er und seine Kids wegen Problemen mit den Pässen der Kinder nicht auf die Fähre nach Korsika kämen.

Mit der Unterkunft gab es keine Probleme und so hatte ich unverhofft noch zwei Tage mit einem meiner besten Freunde. Seine Kids sind sportversessen und waren pausenlos mit den Rennrädern unterwegs, so dass wir uns gemütlich am Strand in der Pampelonne niederlassen konnten.

Château de Grimaud

Abends war ich noch alleine auf dem Château um mit Jutta den Moment zu genießen. Das Château war immer unser Ankerpunkt. Wenn wir in Grimaud waren, war der tägliche, oder besser abendliche, Besuch obligatorisch. Man hat von dort einen herrlichen Blick über den Golf nach Saint Tropez und Port Grimaud, die Reißbrett-Marina, die doch so natürlich gewachsen aussieht.

Am übernächsten Tag war die Sache mit den Pässen geklärt und Uli und seine Kinder konnten ihre Reise nach Korsika fortsetzen, während ich mich langsam auf die Heimreise machen musste.

Geier in den Gorges du Verdon (Foto aus 2023)

Von Grimaud aus war das nächste Ziel schnell zu erreichen. La Palud-sûr-Verdon. Ich wollte noch einmal die Route des Crêtes fahren, dieser einzigartige, lediglich 24 km lange, Rundkurs an den Gorges du Verdon, dem sogenannten Grand Canyon Europas. Tatsächlich hat die Tour soviel Spaß gemacht, dass ich sie gleich zweimal hintereinander gefahren bin.

Die Canyons sind auch für das Geier-Auswilderungsprogramm bekannt. Dieses Programm wurde 2005 von französischen Biologen initiiert.

Und es ist sehr erfolgreich. Mittlerweile sind mindesten vier Geierarten dort ansässig und mit etwas Glück und Geduld bekommt man sie auch vor die Kamera. Manchmal zum Greifen nah.

Rafting auf dem Verdon

Der Tag war noch jung und einem Besuch in Castellane an der Route Napoléon, der N85, stand nichts im Wege. Eigentlich ist es egal, wo man in der Provence mit dem Motorrad unterwegs ist, aber die Strecke von La Palud-sûr-Verdon nach Castellane ist richtig schön. Wenn man zur richtigen Zeit am Verdon längsfährt, kann man auf dem Wasser Raftingtouren beobachen. In Castellane kann man diese Touren auch buchen. Die Zeit dazu hatte mir jedoch gefehlt. Vielleicht mache ich das im nächsten Jahr.

Das Airbnb von Marie-Claude, ein paar Meter außerhalb von La Palud-sûr-Verdon, ist schön und einsam gelegen. Natur pur. Am nächsten Morgen setzte ich meine Heimreise mit einem Zwischenstop in Lyon fort. Der Weg nach Lyon führte mich wieder über sehr kurvige, sehr leere Straße. Bis auf die Strecke hinunter vom Col d’Espinouse (838m). Dort fand ich mich im Gewimmel von Wochenend-Radsportlern, die sich die Serpentinen zum Pass hinaufquälten. Offensichtlich ist das eine beliebte Radsportstrecke.

Von Lyon aus ging die Reise dann über Seeheim-Jugenheim wieder nach Hause in die Kühle Norddeutschlands.

Eines hatte mir meine Calimoto-App nicht verraten. Auch wenn man bei dem Name Pont de Claix eine kleine, quasi klecksartige, Gemeinde vermuten kann, handelt es sich doch um einen langgezogenen, etwa 10 km langen Ort, in dem alle paar hundert Meter eine Ampel steht, die garantiert auf Rot schaltet, wenn man sich ihr nähert. Allein, um Pont de Claix zu durchqueren, habe ich über eine Stunde gebraucht.

Nach Seeheim-Jugenheim wollte ich eigentlich die restlichen 600 km auf der Autobahn nach Hause fahren, hatte es mir anders überlegt und mir eine Route durch den Taunus gegönnt. Das war sehr lustig, besonders der Starkregen, die Blitze, die direkt neben mir einschlugen und die Schraube auf der Straße, die mein Hinterrad vorsichtshalber aufgesammelt hatte.

Der Reifen verlor langsam, aber stetig Luft. Kurzerhand rief ich bei meinem Bruder in Witzenhausen an, ob er ein Bett für mich für die Nacht habe. Das hatte er und ich konnte mich aus den mittlerweile völlig durchnässten Klamotten schälen.

Am nächsten Morgen war die Luft raus und die nächste Motorradwerkstatt mit passendem Reifen etwa 10 km entfernt. Zum Glück hatte ich eine Akku-Pumpe mit. Somit konnte ich den Reifen soweit aufpumpen, dass er die Fahrt zur Werkstatt überstand.

Nach dem Reifenwechsel ging es dann doch auf die Autobahn und ich kam am 24.07.2024 nachmittags ohne weitere Vorkommnisse Zuhause an.

Die Mittelmeer Tour in Bildern

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